Die Angst vor dem Unbekannten kennt jeder. Und vor allem, wenn man noch so klein ist wie unsere Liese und alles neu und unbekannt, schwankt man oft zwischen Abenteuerlust und eingezogenem Schwanz.
Der Staatsfeind Nr. 1
Die meisten Hunde hier in der Nachbarschaft kennt Liese bereits. Da gibt es den gutaussehenden Samojeden, die wuschelige Bobtaildame und natürlich Balu – dem zeigt Liese durch den Gartenzaun hindurch regelmäßig, wo der Hammer hängt.
Doch seit sie einmal von einem Monsterhund attackiert wurde und so schnell nach Hause gespurtet ist, dass Herrchen die Leine nicht festpacken konnte, hat sie … nun ja … gewissen Respekt vor anderen Hunden. Sie wäre natürlich keine mutige Liese, wenn sie sich das anmerken ließe. Das wäre ja noch schöner! Das feindliche Gegenüber wird erst einmal kräftig angeknurrt, als wäre unsere Liese ein böses Raubtier. Und nur, wenn sich der Andere zu schnell und forsch nähert, zieht sie sich in sichere Gefilde hinter Herrchens und Frauchens Beinen zurück.
Übrigens: Der Andere muss dabei nicht einmal ein anderer Hund sein – Liese traut dem weißen Puschel in der Fensterscheibe oder der gefährlich schwarzen Gestalt, die ihr im Dunkeln überall hin folgt, genauso wenig über den Weg.
Das feuchte Nass
Gerade in den heißen Tagen der letzten Wochen erfrischte kühles Wasser die erhitzten Gemüter. Liese hatte riesigen Spaß in ihrer Gartenwanne oder am Hundestrand. Aber Vorsicht: Nicht, dass der gemeine Sand plötzlich wegrutscht und sie den Boden unter den Füßen verliert. Dann ist aber Holland in Not! Denn obwohl sie eigentlich schwimmen kann, möchte sie schon ganz gern selbst entscheiden, ob sie es auch tut. Dass sie sich bislang immer vehement dagegen entschieden hat, tut dabei überhaupt nichts zur Sache. „Und außerdem habe ich das dickste Fell der Welt. Das wird tonnenschwer, wenn es nass wird!“ Wobei es schon gemein ist, wenn Frauchen fröhlich im Badesee ihre Runden zieht und Liese am Ufer auf und ab springt, weil sie nicht dabei sein kann. Ähm, Entschuldigung: Weil sie sich dagegen entscheidet mitzuschwimmen. Von Angst ist hier keine Rede!
Treppauf, treppab
Wer hat eigentlich Treppen erfunden? Diese Dinger sollten verboten werden. Sie sind schmal und steil und überhaupt vollkommen unnötig. Ganz schlimm war für Liese, als Herrchen und Frauchen das erste Mal die Treppen zu ihrem Schlafzimmer nach oben gestiegen sind und Liese ganz allein zurückgelassen haben. Sie konnte doch unmöglich mutterseelenallein im dunklen Flur bleiben. Also kletterte sie todesmutig die ersten Stufen hinauf, bis sie durch den Stufenspalt nach unten schielte. „Au backe, ist das hoch! Wenn ich da jetzt hinuntersegele, bin ich Welpenbrei.“ Liese wimmerte und quiekte, dass es wahrscheinlich sogar Balu auf der anderen Zaunseite gehört hat. Sie wimmerte und quiekte, bis Herrchen sie endlich rettete und in seine Arme nahm.
Nun, Treppen gibt es ja überall. Doch wenn jemand glaubt, dass Liese noch einmal eine Treppe hoch oder runter geht, hat er sich geschnitten. Lieber legt sie sich flach vor die erste Stufe und blickt ganz ängstlich drein. Nicht einmal ein Leckerli oder Herrchen und Frauchen auf der zweiten Stufe können sie locken. Pah, Treppen können ihr gestohlen bleiben! Und außerdem sollen Welpen eh noch keine Treppen steigen, das ist nämlich ganz schlecht für die Gelenke. So!
Und was hilft dagegen?
Ängste sind zum Überwinden da. Das weiß Liese nur noch nicht. Aber Herrchen und Frauchen widmen sich ganz behutsam dem Thema und arbeiten mit der kleinen Liese Räubertochter an ihren Ängsten. So hat sie schon kräftig mit anderen Welpen getobt, und die Hassliebe zu Balu entwickelt sich nach und nach zu einer innigen Freundschaft. Am See steckte sie letztes Mal ganz von allein ihre gesamte Schnauze unter Wasser – und sah danach auch dementsprechend aus, aber was soll’s! Und bei den Treppen, die überwunden werden müssen, hilft ihr Frauchen Schritt für Schritt. Denn wenn Liese einmal merkt, dass es gar nicht so schlimm ist, dann traut sie es sich beim nächsten Mal auch alleine.
Unsere Liese ist eine Rebellin, ein Rowdy, eine wahre Kämpfernatur! Mit ganz normalen kleinen Kinderängsten.