Vor kurzem war ich beruflich bei einer dieser Networking-Veranstaltungen, wo man sich über seine Erfahrungen austauschen soll. Diese Veranstaltungen sind immer ein herrlicher Schauplatz mysteriöser Gruppendynamik: Wie bei einer Reality-Show hat jeder seine eigene kleine Rolle in den sozialen Gruppen.
Anti-Socials
Es gibt die Anti-Socials, denen eigentlich alles nur auf den Geist geht und die sich überhaupt nicht unterhalten wollen. Wahrscheinlich hat sie ihr Chef gezwungen, zu der Veranstaltung zu gehen. Sie stehen meist am Rand herum und schauen regelmäßig auf die Uhr. Das Essen ist für sie eher mittelmäßig und der Wein natürlich ein Nobody. Anti-Socials sind absolut Smalltalk-resistent und auch sonst bekommst du sie nur schwer aus der Reserve. Wenn du eine Frau mittleren Alters mit kurzem Rock und hohen Schuhen bist, geht es etwas leichter, aber auch das beeindruckt sie nur schwer. Ich persönlich mache einen großen Bogen um Anti-Socials.
Social-Stars
Dann gibt es ihre Kontrahenten, die Social-Stars. Sie sind der Mittelpunkt jedes Gesprächgrüppchens, weil sie jedes Gespräch an sich reißen können und immer etwas zu sagen haben. Ob es um bedrohte Tierarten in Südafrika oder um die Präsidentschaft von Donald Trump geht, Social-Stars kennen einfach zu allem eine gute Anekdote. Du weißt aber auch nie so recht, was tatsächlich stimmt und was nur Halbwissen ist.
Gleichzeitig haben sie es schwer, sich auf ein Gespräch zu konzentrieren und ihrem Gegenüber richtig zuzuhören (wenn sie überhaupt jemand anderen zu Wort kommen lassen). Sie haben immer ihr eigenes Ziel im Blick und preschen sich bis dahin durch. Dabei kannst du sie nur schwer stoppen. Und wenn sie ihr Ziel in dieser Gruppe nicht finden, dann sind sie ganz schnell bei den nächsten Gruppen. Deshalb sind sie auch immer parallel mit einem Ohr oder Auge beim sonstigen Geschehen auf dem Event und nie ganz bei der Sache.
Social-Phobies
Dann haben wir noch die Social-Phobies. Sie sind vermutlich in ihrem Unternehmen für das Thema der Veranstaltung zuständig, aber eigentlich fühlen sie sich in Gruppen nicht wohl. Sie werden ganz schnell von den Social-Stars eingeschüchtert und finden grundsätzlich, dass sie nicht viel zum Gespräch beitragen können.
Mit den Social-Phobies kannst du dich ganz gut unterhalten, musst ihnen aber das Gefühl geben, nicht vollkommen überflüssig zu sein. Meistens bekommst du von den Social-Phobies aber auch keinen wirklichen Standpunkt vermittelt, weil sie sich gern zwischen den Stühlen bewegen. Das eine ist gut, aber das andere ist auch nicht schlecht. Wenn du Social-Phobies ansprichst, schrecken sie immer erst einmal zurück, aber freuen sich auch, selbst nicht den ersten Schritt machen zu müssen.
Social-Nerds
Die Superbrains der Veranstaltung (oft auch als Experten geladen), sind die Social-Nerds. Auch ihnen fehlt es an sozialer Kompetenz. Sie können dich zu ihrem Thema tot quatschen, und natürlich bist du von ihrem Wissensschatz beeindruckt, aber wenn du sie nach ihrer Meinung zu den Fußballergebnissen fragst, sind sie überfordert. Um von Social-Nerds gemocht zu werden, musst du in ihrer Liga mitspielen und etwas zu ihrem Thema zu sagen haben, was sie noch nicht wissen. Was aber von Natur aus schwierig ist! Obwohl sie meistens menschlich absolut uninteressant sind, werden Social-Nerds immer von den anderen Gästen umlagert. Denn jedes Thema braucht Leute, die sich auskennen!
Social-Normalos
Natürlich gibt es wie überall auch hier die Social-Normalos, zu denen ich mich selbst auch zähle. Die Normalos haben von jeder Ausprägung etwas, von manchen mehr, von anderen weniger, und schwimmen in der breiten Masse mit.
Social-Intermezzo
Wer kennt das nicht? Du kommst auf eine Veranstaltung und sofort beginnt die Suche nach einem Gesprächspartner. Bloß nicht allein in irgendeiner Ecke enden. Wenn du den idealen Partner gefunden hast, ist die Erleichterung groß. Denn manchmal klebst du ewig an dem falschen Gesprächspartner fest (besonders die Social-Phobies können sehr anhänglich sein. Wenn erst einmal jemand mit ihnen sprechen will, lassen sie ihn nicht mehr weg). Und manchmal merkst du, dass der andere sich nur mit dir unterhält, um nicht völlig allein da zustehen. Dann bist du sein Social-Intermezzo. Bei einem organisierten Mittag- oder Abendessen ist Taktik gefragt, um nicht an einem Tisch voller Anti-Socials oder Social-Phobies zu landen. Kannste aber auch nicht immer vorher wissen.
Wer ist wer in den Gruppen?
Diese Dynamik in sozialen Gruppen ist ziemlich spannend und auf nahezu jede Gruppe anwendbar. Bei der WG-Party gibt es genau dieselben Akteure wie bei einem Business Dinner.
Die Frage ist hier nur jedes Mal dieselbe: Wer ist wer?